Kaisersaal

P. Wolfgang Buchmüller OCist

Kaisersaal

Zwei Kampfhähne fauchen sich an, wobei einer von beiden in seiner Physiognomie mehr an das Fabelwesen eines Basilisken erinnert. Dem Anschein nach bleibt es bei dieser Drohgebärde, Bisswunden sind noch keine sichtbar. Ein paar phantasievolle Prunkrüstungen sind an der Decke angebracht, aber all diese Anspielungen auf eine Welt voller Konflikte sind in eine paradiesische Welt voller Engel und Genien eingebettet; Genien, die den Ruhm der Sieger verkünden, Engel, die sich in spielerischer Unbekümmertheit zusammenraufen, um dann wieder gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Dem unbekümmerten Besucher des Kaisersaals wird einiges an Ablenkung geboten, wenn er die barocke Phantasiewelt des Saals auf sich wirken lässt. Manches Mal wird er dem ungewöhnlichen Setting, in dem er sich gerade befindet, nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken, weil die verdichtete Atmosphäre der Vorträge und Veranstaltungen im altehrwürdigem Stift Heiligenkreuz ihn in ihren Bannkreis ziehen wird. Ein anderes Mal wird er vielleicht mehr als froh sein, wenn ihn barocke Sinnenfreuden von allzu komplizierten Gedankengängen ablenken oder eine gewisse innere Öde und Trostlosigkeit überdecken.

Da gibt es beispielsweise ganze Bündel mit Spargel, die appetitanregend wirken, herrliche Trauben lachen dem Betrachter von der Stuckdecke entgegen, Birnen und Granatäpfel wecken eine nicht zu leugnende Vorfreude auf kulinarische Genüsse. Irdische Freude wird dabei ins Himmlische transponiert, die vielen geflügelten Putten, das ganze Heer von Engeln, die sich an verschiedenen Fruchtgebinden festhalten, lassen das irdische Fest wie eine Vorahnung des Himmels erscheinen.

Dabei wird aber auch Substantielleres geboten: In den Stuckdekor sind zwei etwas ungelenke Deckengemälde von dem Wiener Maler Johann Georg Greiner eingebettet, die wie Fenster in eine andere Wirklichkeit fungieren sollen. In dem einen Feld wird der jähe Sturz eines antiken Herrschers von seinem brüchig gewordenen Thron thematisiert. Wie dies die kaiserlichen Besucher empfunden haben mögen, ist nicht weiter bekannt: als Hinweis auf eine drohende Revolution, einen Umsturz oder eine interne Palastrevolution? Der potentielle Urheber der Absetzung des Potentaten ist oben rechts sichtbar: Jupiter, der Oberste der Götter, gibt blitzeschleudernd seine Weisungen, sein Adler unterstützt ihn dabei. Dazu kommentiert das Spruchband: Niemand ist allgewaltig als Gott allein. Damit wird auch denjenigen auf die Sprünge geholfen, die von sich aus keine Beziehung zwischen Jupiter und dem Gott der Bibel herstellen können.

Auch das zweite Oberbild hat politische Konnotationen: Ein etwas behäbiger Triumphwagen enthält eine Frauengestalt und wird von einem Genius mit einem Lorbeerkranz bekrönt. Auch hier hilft ein Spruchband begriffsstutzigen Betrachtern weiter: Die Demut wird gekrönet. Eine allegorische Verkörperung der Tugend der Demut stellt demgemäß den Hauptdarsteller dieses Bildfeldes dar. So ganz konfliktfrei ist diese Darstellung dennoch nicht geblieben. Dazu tragen die gefesselten Gestalten am Bildrand bei, die unter Absehung ihrer persönlichen Würde abgeführt werden. Turbane macht deutlich, welchem kulturellen Umfeld die bedauernswerten Gefangengestalten entstammen: offensichtlich handelt es sich um Kämpfer des türkischen Osmanenreiches, die – zeitlich gesehen – kurz zuvor versucht hatten, Wien einzunehmen, und dabei die Umgebung – einschließlich des Wienerwaldstiftes Heiligenkreuz – verwüstet und verbrannt hatten. Auch der Vorgänger des heutigen Kaisersaals war damals bei einer Attacke der Tartaren der Goldenen Horde in Flammen aufgegangen.

Einen moralisierenden Akzent bringt eine ganze Kollektion von Lastern mit ins Spiel, die am linken Bildrand angesiedelt sind: Bei einer ersten Einsichtnahme sind Stolz und Eitelkeit mit dem Pfau, Zorn mit dem Schwert und Geldgier mit dem prallen Geldsack relativ einfach zu identifizieren, mit einiger Wahrscheinlichkeit kann man auf die sieben Hauptsünden spekulieren. Dies lässt vermuten, dass trotz der zeitgeschichtlichen politischen Akzente eine religiöse Deutung intendiert wird. An dieser Stelle wird daher auf den Vers des Magnifikat, des biblischen Gesanges der Maria des Lukasevangeliums hingewiesen, der jeden Tag von den Mönchen beim Abendgebet intoniert wird: Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.

Eine solche religiöse Deutung dürfte auch die offiziellen Besucher, die nach 1690 den halbwegs fertigen Kaisersaal des Stiftes mit den genialen Stuckaturen von der Hand des Mailänder Künstlers Antonio Aliprandi und den etwas missglückten Fresken seines Malerkollegen Johann Georg Greiner besuchen konnten, beruhigt haben. Man konnte beispielsweise auf den hochfahrenden Stolz des türkischen Großwesirs Kara Mustafa (1634-1683) verweisen, der ihm 1683 nicht nur die Niederlage vor Wien, sondern auch einen vorzeitigen Tod durch die Seidenschnur auf Geheiß des Sultans eingebracht hatte. Ja selbst der türkische Sultan Mehmed IV. (1642-1693) war 1687 nach der schmählichen Niederlage gegen die österreichischen Giauren bei Mohacs entmachtet worden und seines Thrones verlustig gegangen. Den Rest seiner Tage musste der einstens großmächtige Sultan als Gefangener in der Festung Edirne fristen.

Darauf dass das damalige Staatsoberhaupt der österreichischen Monarchie, Leopold I. (1640-1705), der gleichzeitig in Personalunion als Kaiser des römischen Reiches deutscher Nation fungierte, den moralisierenden Ton des Ausstattungsprogramms seines Wienerwaldklosters Heiligenkreuz, in dem er oft zu Gast war, nicht als beleidigend empfand, deutet die Tatsache, dass man mit seinem Einverständnis eine Erinnerungsstätte für seine Familie an diesem Ort einrichtete. Habsburgische Familiengalerien, etwa vergleichbar mit heutigen Familienalben, hatten bereits eine ansehnliche Tradition. Der kunstliebende Kaiser Rudolph II. hatte eine solche Darstellung der habsburgischen Großfamilie für den monumentalen „Spanischen Saal“ in der Burg auf dem Hradschin in Prag in Auftrag gegeben, die zwischen 1600-1606 vom Joseph Heintz realisiert worden war.

Dass nun aber ein Mönchskloster einen Mega-Auftrag für eine Serie von 15 lebensgroßen Portraits des regierenden Kaiserhauses vergab, war einigermaßen erstaunlich: Zum üblichen Programm eines „Kaisersaals“ gehörte eine Kaisergalerie, die meistens mit Julius Caesar begann und mit dem aktuellen Potentaten und Repräsentanten des „Römischen Reiches deutscher Nation“ endete, wobei römische Tyrannen wie Nero besonders beliebte Motive waren. Zur Auflockerung hatte man in manchen Kaisersälen süddeutscher oder österreichischer Provenienz Papstportraits eingefügt, damit auch die kirchliche Komponente berücksichtigt wurde. Ein ganz auf den regierenden Herrscher fokussiertes Programm widersprach an sich der Geschichtstheologie, die von dem „immerwährenden“ römischen Reich und seinem antiken Erbe in Verbindung zum europäischen Christentum sprach.

Weithin einzigartig war die Entscheidung des Abtes Marian Schirmer, für den Kaisersaal ein habsburgisches Familienalbum, eine Momentaufnahme Kaiser Leopolds, seiner Gattin Eleonore, seiner Kinder und aller weiteren Familienangehörigen in Auftrag zu geben. Damit wurde Heiligenkreuz gewissermaßen zum Familienkloster Leopolds, eine Verbindung, die eine beiderseitige Sympathie voraussetzt, denn schließlich musste nun die gesamte Familie – wenigstens für kurze Zeit – dem Wiener Maler Adam Pankraz Ferg Portrait sitzen. Dieser hielt mit flottem Pinsel die charakteristischen Züge der einzelnen Familienmitglieder und – was genauso wichtig war – die prächtigen Staats- und Ballkleider der Prinzessinnen, die mit kostbaren Halbedelsteinen besetzt waren, mitsamt den Hermelinumhängen und den Erzherzogshüten fest. Alles in allem müssen die Prinzessinnen bei ihrem großen Auftritt mit ihren rubinbesetzten Kleidern entsprechend gefunkelt haben, ganz abgesehen von den eindrucksvollen, ebenfalls mit Granatschmuck verzierten schweren Hermelinpelzcapes, von denen man sich nicht vorstellen kann, dass sie länger als zum Einzug getragen worden sind.

Der Rest der Aufmachung der Erzherzoginnen Maria Anna und Maria Elisabeth, sowie ihrer Schwägerin Wilhelmine Amalie von Braunschweig und des kleinen Erzherzogs Karl war selbstverständlich pure Phantasie, d.h. eine allegorisch erhöhte Staffage mit Säulen und Vorhängen, die ähnlich wie eine Bühnendekoration die kulturelle und politische Funktion des Kaiserhauses herausstreichen sollte. Zu dieser politischen Botschaft passt, dass entsprechend der Ambitionen des Hauses Habsburg die junge Erzherzogin Maria Elisabeth und der kleine Erzherzog Karl in ein ungarisches Kostüm eingekleidet wurden – ein diskreter Hinweis auf die neu erstandene österreichisch-ungarische Doppelmonarchie. Diese war zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Gemälde erst wenige Jahre alt. Erst 1687 nach durchschlagenden militärischen Erfolgen der Österreicher gegen die Türken, hatten die ungarischen Magnaten schlussendlich ihre alte Wahlmonarchie begraben und der Errichtung einer neuen Erbmonarchie des Hauses Habsburg in Ungarn zugestimmt, wobei sie dem Kaiser zahlreiche Privilegien abgetrotzt hatten.

Trotz seiner flotten Pinselstriche hatte der 1696 beauftragte Adam Pankraz Ferg ganze vier Jahre an einer Serie von fünfzehn Portraits gearbeitet, bis im Jahre 1700 die vergoldeten „vermetallisierten“ und geschnitzten Bilderrahmen samt Spiegeltrumeau in Auftrag gegeben werden konnten. Wo aber sind die restlichen zehn Gemälde abgeblieben? Die Habsburg Serie ist offensichtlich nur mehr rudimentär vorhanden, vor allem fehlt mit Kaiser Leopold I. die Hauptperson selbst, die hier offensichtlich glorifiziert werden sollte. Im April 1945 feierten halbpubertäre russische Soldaten ihren triumphalen Sieg mit ein paar kräftigen Gewehrsalven, die ihre Spuren an den altehrwürdigen Gemälden im Kaisersaal hinterließen. Die Herrscherbilder derjenigen Macht, die im Frühjahr 1918 dem Mütterchen Russland eine besonders schmerzhafte Niederlage zugefügt hatte, waren anscheinend ein auserwähltes Ziel…

Auf jeden Fall fehlen einige ganzfigurige Portraits seit diesen Tagen. Die Bilder, von denen allesamt keine Fotographien existieren, kamen bis auf weiteres zur Restaurierung ins Bundesdenkmalamt. Als der dortige Leiter verstarb, wusste niemand mehr um die Herkunft der beschädigten Gemälde. Dem Vernehmen nach wurden die Restbestände des Amtes in den neunziger Jahren versteigert, um damit durch einen symbolischen Beitrag zum Fonds der jüdischen KZ-Opfer zu leisten. Schließlich hatten die Nazi-Schergen zuvor ein zynisches Geschäft mit der sog. jüdischen Beutekunst gemacht. Es ist aber auch gut möglich, dass einige der Bilder wie viele andere bereits während der Jahre der Wirtschaftskrise 1929 bis 1938 verkauft wurden und damit einen neuen Besitzer fanden.

Möglicherweise wird eines Tages ein Kunstdetektiv noch einige Spuren ausfinden machen können. Nach einer Internetrecherche erscheint es wahrscheinlich, dass zumindest ein weiteres Portrait den Sturm der Zeiten überlebt hat. Bei dem in Stil und Machart mit unseren Gemälden eng verwandten Ölbild handelt es sich wohl um ein postumes Portrait, d.h. ein Bild der mit nur 22 Jahren 1673 verstorbenen Kaiserin Margarita Teresa, der ersten Ehefrau Kaiser Leopolds, das etwa 25 Jahre nach dem allzu frühen Ende der jungen Kaiserin entstand. Der schwarze Vorhang, der das Bild mit einer Trauerstimmung untermalt und die Taschenuhr, die die Kaiserin dem Betrachter entgegenhält, sind Indizien dafür, dass es sich tatsächlich um ein Portrait einer Verstorbenen handelt. Diese aber war durchaus prominent. Mit einem hinkenden Vergleich könnte man Margarita Teresa als das bekannteste Modell des 17. Jahrhunderts bezeichnen. Die Kinderportraits, die der geniale Velasquez von der Infantin Margarita Teresa, zugleich Erbin des Königreichs Spanien, schuf, berühren bis heute die Betrachter und entfalten einen eigenen lebendigen Zauber, der sie aus der gesamten übrigen Produktion des Jahrhunderts herausheben.

Dies gibt das Stichwort für das spanische Abenteuer der österreichischen Habsburger an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Der Erbfall für das spanische Weltreich, das von den Philippinen über Süd- und Nordamerika bis nach Neapel und Mailand nach Spanien reichte, trat im Jahr 1700 ein, als der letzte Habsburger in Spanien Karl II. verstarb. Nach einigem Zögern entschloss sich Wien seine „Ansprüche“ anzumelden und marschierte in Norditalien ein. Nach den ersten Erfolgen brachte eine englische Flotte den zweiten Sohn Kaiser Leopolds Erzherzog Karl 1705 nach Barcelona.

Dort und in Valencia wurde Erzherzog Karl, nun König Carlos III., von den katalanischen Separatisten begeistert begrüßt. Karl-Carlos nahm aber nicht nur Soldaten nach Spanien mit, sondern einen ausgewachsenen Hofstaat mit stattlichem Gefolge, das nach den damaligen Auffassungen einen Herrscher auszeichnete.

So stand eines Tages vor etwa 15 Jahren eine Gruppe von katalonischen Patrioten, allesamt Kunsthistoriker, im Kaisersaal in Heiligenkreuz, um ihn fachmännisch zu begutachten. Unser Stukkator Antonio Aliprandi, seines Zeichens Kaiserlicher Hofstuckateur, sei 1705 im Gefolge König Karl-Carlos III. in Barcelona angelandet und habe in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls aus Wien importierten Architekten Anton Ospel einige Räumlichkeiten im Erzbischöflichen Palais in Valencia ausgestattet, damit sie als provisorischer Palast für den habsburgischen Thronanwärter dienen konnten. Auf diese Weise sei also ein kleines „Wien“ in Katalonien entstanden, eine kleine heimatliche Komfortzone für den gerade 20-jährigen Monarchen und Thronprätendenten. Antonio Aliprandi stuckierte aber darüber hinaus drei verschiedene Kapellen in Valencia, die heute als besondere Schmuckstücke der Stadt gelten. Dazu kamen ein Thronsaal und andere Räumlichkeiten in der Gartenvilla Pantons, die als improvisierte Sommerresidenz von „Don Carlos de Austria“ alias Erzherzog Karl fungierten.

Als allerdings 1708 die französischen Truppen im Anmarsch auf Valencia waren, verstand Aliprandi instinktiv, dass der Boden zu heiß wurde und dass es besser wäre, ins friedliche Wien zurückzukehren. Ende des Jahres 1708 finden wir ihn bereits wieder in Heiligenkreuz, wo er in den nächsten vier Jahren die Sommersakristei, das Kaiseroratorium, einige Zimmer im Heiligenkreuzer Hof und zuletzt die Annakapelle ausstuckierte und ihnen somit ihren feingearbeiteten Dekor verlieh, der sie für uns so liebenswert macht. Insbesondere die Stuckaturen des Kaiseroratoriums, aber auch diejenigen der Sakristei, harren einer zukünftigen Restaurierung entgegen, die dann manches Detail wieder zur Geltung bringen wird.

Bei den heutigen katalonischen Separatisten ist dieser Moment ihrer Geschichte als neunjähriger Freiheitskampf  gegen die Bourbonen kostbar, denn mit dem Fall der Stadt Barcelona 1714 ging das gedemütigte Katalonien seiner Freiheiten und Rechte verlustig und wurde zu einer spanischen Provinz degradiert. Das ehemals selbstständige Königreich Aragon mit seiner eigenständigen Sprache und Kultur, war bereits um 1640 durch den Herzog von Olivarez auf den Status einer Provinz herabgestuft worden, jetzt unter den französischen Bourbonen wurde Katalonien von Madrid aus geradezu kolonialisiert.

Der internationale Ruhm Aliprandis ist vielleicht ein Anlass zu realisieren, dass der altehrwürdige Kaisersaal in Heiligenkreuz, dessen Stuck Aliprandi in selbstbewusster Manier 1690 auf dem silbernen Degen des Kaiseradlers signiert hatte, einen besonderen Glanzpunkt der österreichischen Kunstgeschichte darstellt. In dieser frühen Periode Aliprandis ging es darum, nach dem großen Türkensturm die niedergebrannten kaiserlichen Schlösser Hofburg, Favorita und Kaiserebersdorf beim Wiederaufbau wie einen Phoenix aus der Asche schöner als zuvor erstehen zu lassen. Ganz allgemein verbreitete sich ein vorsichtiger erster Optimismus, gewissermaßen ein bescheidener Vorgeschmack zur Pracht des österreichischen Reichsbarock.

Kaum abzustreiten ist der enge Zusammenhang zwischen den Kaiserzimmern in Heiligenkreuz und der Kaiserstiege und dem entsprechenden Kaisersaal in der Favorita (heute Akademie Theresianum), dem einstigen Sommerschloss Kaiser Leopolds I. auf der Wieden, wo sich einige Stuckaturen Aliprandis erhalten haben. Dort wie hier blickt einem ein majestätischer Kaiseradler entgegen und kündet von seinem Herrn, dessen Initialen L I. für Leopold I. stehen, der Kaiser dessen miracles, bzw. „Wunder,“ seinen Gegner Ludwig XIV. von Frankreich oft genug zur Verzweiflung brachten.

 

Damit neigt sich unsere Visite dem Ende entgegen. Viel könnte man noch über die Türkenschlacht oder die Stifterbilder sagen, die den Besucher intensiv mit über 800 Jahren der österreichischen Geschichte verbinden. Dies tun sie in passender oder unpassender Weise, denn mancher theologische Vortrag findet vor der Kulisse von angreifenden, fliehenden oder sterbenden Kriegern statt. Deren Schicksal ist vielleicht eine Mahnung, das Glück oder auch den Ernst der gegenwärtigen Situation richtig einzuschätzen.

Dem Besucher sei zum Abschluss noch ein Seitenblick in das angrenzende Kaiserzimmer empfohlen, seinerzeit die Tafelstube für diverse Festlichkeiten, heute eher ein etwas vernachlässigter Kulissen- und Abstellraum. Hier sei nicht nur auf die Kreuzesvision Kaiser Konstantins im Schicksalsjahr 312 hingewiesen, sondern auch auf die farbigen Grisaille-Malereien, die die Seitenfelder schmücken. Diese Emblemata genannten Bilderrätsel stellen eine kleine Liebeserklärung an den dreifaltigen Gott dar, dessen Schrecken, Wirken, Schutz und Segen die Geschichtstheologie des Kaisersaals thematisieren wollte.

Lateinkundige können einiges an christlicher Weisheit den barocken Bilderrätseln entnehmen, etwa der König der Könige regiert die Könige (rex regum reges regit), das beigegebene Symbol des Herzens zeigt auch an, wie der himmlische König zu den irdischen Königen zu sprechen pflegt. Nicht alle menschliche Erfahrungen lassen sich der Sonnenseite des Lebens zuordnen. Hierzu vermerkt das Emblem: Durch diese Krone geht’s zu der anderen Krone (ad istam per istam), mit anderen Worten, wer die Leiden der Dornenkrone angenommen hat, wird auch zur himmlischen Krone gelangen. Schließlich gibt es noch ein Mysterium eines gelungenen Lebens: Es verdankt sich nicht sich selbst. Zu dem Symbolbild eines Adlers, der sein Junges hinaufträgt bemerkt das Emblem: So pflegt Gott die seinigen zu tragen (Sic portare deus adsolet). Der Schlussakkord der Emblemata mit der Danksagung an den dreifaltigen Schöpfer- und Erlösergott bilden zwei bzw. drei knappe Worte: Den drei Allerstärksten (tria fortissima). Die erklärenden Symbole sind die Weintraube der Eucharistie, das Herz und Flamme. Eine Zuordnung der Symbole an die einzelnen Personen der Trinität fällt relativ leicht: Das Vaterherz Gottes schenkt den Menschen die Eucharistie in Leib und Blut des Gottessohnes, um im Gläubigen die Flamme der Liebe des Heiligen Geistes zu entzünden. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Weiterführende Literatur:
Richter Werner, Die Kaiserzimmer in Heiligenkreuz, in: Sancta Crux, 54. Jg., Nr. 111, S. 68-75, Heiligenkreuz 1993